SCHULÖFFNUNG IN NRW
Ministerin Gebauer wendet sich an Eltern
Ministerin Yvonne Gebauer hat sich am 23. April mit einem Offenen Brief an alle Eltern schulpflichtiger Kinder in NRW gewandt, um sie über die Pläne zu einer behutsamen Öffnung der Schulen zu informieren.
Der Brief steht auch in 14 Fremdsprachen zur Verfügung.
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Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Eltern,
Bund und Länder haben Vereinbarungen getroffen, die eine vorsichtige Lockerung der Mitte März beschlossenen Auflagen für den öffentlichen Raum vorsehen. Auch die Öffnung unserer Schulen waren Gegenstand der Beratungen.
Ich wende mich heute persönlich an Sie, um Sie über die Pläne des Ministeriums für Schule und Bildung zu einer behutsamen Öffnung der Schulen in der kommenden Woche zu informieren.
Allen nachfolgenden Ausführungen möchte ich voranstellen: Oberstes Gebot für sämtliche Maßnahmen ist und bleibt der Gesundheitsschutz. Alle Entscheidungen, die auch im Schulbereich getroffen werden, bedeuten gerade in solch fragilen Zeiten stets eine Gratwanderung und werden auch sicherlich unterschiedlich bewertet.
Für die Schulen in unserem Land erlaubt die gestrige Entscheidung eine umsichtige, gestufte Wiederaufnahme des Betriebs. Am kommenden Montag, 20. April 2020, sollen in Nordrhein-Westfalen die weiterführenden Schulen wieder öffnen. Zunächst jedoch nur, damit Lehrerinnen, Lehrer sowie nicht-lehrendes Personal organisatorische und notwendige prüfungsvorbereitende Maßnahmen ergreifen können. Dafür wollen wir den Schulen drei Tage Vorlauf geben, so dass die ersten Schülerinnen und Schüler am 23. April 2020 wieder in die Schule kommen. Dabei handelt es sich ausnahmslos um Schülerinnen und Schüler, die am Ende dieses Schuljahres ihre Schulabschlüsse erwerben sollen. Dies sind neben den Abiturientinnen und Abiturienten vor allem die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 10, die am Ende des Schuljahres den Hauptschulabschluss nach Klasse 10 oder den Mittleren Schulabschluss erwerben. Der 23. April 2020 gilt aber auch für Schülerinnen und Schüler an Förderschulen, die vor Abschlüssen stehen sowie für die Schülerinnen und Schüler der Berufskollegs, die vor dem Erwerb der Fachhochschulreife, vor Berufsabschlüssen nach Landesrecht, vor dem Abitur oder vor Berufs- bzw. Weiterbildungsabschlüssen stehen.
Die generelle Öffnung der Schulen setzt zunächst voraus, dass die hygienischen Bedingungen in der jeweiligen Schule einen – wenn auch dann weiterhin eingeschränkten – Schulbetrieb zulassen. Darin ist sich das Ministerium für Schule und Bildung mit den kommunalen Spitzenverbänden einig. Über die Bezirksregierungen ist bereits veranlasst, dass sich Schulträger und Schulleitungen über einen ausreichenden Hygienestatus der einzelnen Schulen verständigen.
Mit der Öffnung der Schulen am 23. April 2020 wollen wir auch in Zeiten von Corona eine bestmögliche Vorbereitung auf wichtige Prüfungen in der Bildungslaufbahn unserer Schülerinnen und Schüler schaffen. Da wir aufgrund des Infektionsschutzes die Klassen und Lerngruppen aufteilen müssen, wird dies für die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 10 keine Rückkehr zum „Normalbetrieb“ bedeuten, sondern vielfach mit einem Wechsel von Lehrkräften und einem den schulischen Verhältnissen anzupassenden Unterrichtsangebot in möglichst allen Unterrichtsfächern, vorrangig aber in den Kernfächern, verbunden sein.
Aus diesem Grund und mit Rücksicht auf die schon jetzt spürbaren, und vermutlich auch sehr unterschiedlich weit gediehenen, Vorbereitungen der Schülerinnen und Schüler wollen wir in diesem Jahr auf die sonst übliche Ausgestaltung der zentralen Prüfung (ZP10) einmalig verzichten. An die Stelle der im Abschlussverfahren landeseinheitlich gestellten Aufgaben soll eine durch die Lehrkräfte der Schule zu erstellende Prüfungsarbeit treten, die sich einerseits an den inhaltlichen Vorgaben für die ZP 10 orientiert, andererseits aber auch stärker als dies bei zentralen Prüfungen mit ihren landesweit einheitlich festgelegten Zeitpunkten möglich ist, auf den tatsächlich erteilten Unterricht Bezug nimmt. Um diesen Schritt umzusetzen, ist eine Änderung des Schulgesetzes erforderlich.
Anders als bei den Schulabschlüssen am Ende der Sekundarstufe I ist die länderübergreifende Anerkennung des Abiturs an feste, innerhalb der Kultusministerkonferenz getroffene Vereinbarungen gebunden, zu denen die Prüfungen zählen. Die Kultusminister aller Länder haben bekräftigt, an diesen Prüfungen festzuhalten – wobei auch diese selbstverständlich unter Berücksichtigung der Auflagen zum Gesundheits- und Infektionsschutz durchgeführt werden. Während einige Länder an den ursprünglichen Abiturprüfungsterminen festgehalten haben, haben wir uns in NRW entschlossen, den Beginn der zentralen Abiturprüfungen um drei Wochen auf den 12. Mai 2020 zu verschieben. Auf diese Weise sollen die angehenden Abiturientinnen und Abiturienten noch einmal Gelegenheit bekommen, sich in den Schulen auf die Prüfungen vorzubereiten. Dabei geht es nicht um einen Unterricht nach Stundenplan, sondern vielmehr darum, dass Lehrkräfte noch einmal gezielte Angebote in den jeweiligen Prüfungsfächern machen – die die Schülerinnen und Schüler wahrnehmen können, aber nicht müssen. Denn ich weiß, dass es auch junge Menschen gibt, die sich aus unterschiedlichen Gründen lieber Zuhause auf ihre Prüfungen vorbereiten möchten.
Die Verschiebung der Abiturprüfungen um drei Wochen gibt zudem den Schülergruppen an Gymnasien, Gesamtschulen, Weiterbildungskollegs und Beruflichen Gymnasien, die aufgrund der Schulschließungen noch nicht alle Leistungsnachweise für die Zulassung zur Abiturprüfungen erbringen konnten – also noch nicht alle so genannten Vorabiturklausuren geschrieben haben – Gelegenheit, diese nachzuholen. Das Notbetreuungsangebot für die Jahrgangsstufen eins bis sechs wird aufrechterhalten und auf weitere Berufs- und Bedarfsgruppen ausgeweitet.
Bei der behutsamen Öffnung der Grundschulen ab dem 4. Mai 2020 sollen die Schülerinnen und Schüler der vierten Klasse Vorrang haben. Für sie steht im Sommer der Wechsel auf die weiterführenden Schulen an. Um diesen Wechsel so reibungslos und gelingend wie möglich zu gestalten, sollen sie daher als erste wieder an den Unterricht – wenn sicherlich auch in veränderter Form – herangeführt werden. Dies wird allerdings auch in geteilten Lerngruppen und damit teils mit anderen Lehrerinnen und Lehrern als bisher erfolgen.
Wegen der immer wieder betonten dynamischen Entwicklung der Lage planen wir diese Schritte zunächst nur bis zum 4. Mai 2020. Danach wollen wir auf die eingetretene Entwicklung reagieren, die es im besten Fall möglich macht, das Unterrichtsangebot dann auch auf Schülerinnen und Schülern anderer Jahrgangsstufen bzw. Schülerinnen und Schüler mit besonderem Unterstützungsbedarf auszuweiten. So lange jedoch eine Beschränkung der Lerngruppengröße erforderlich ist, wird es keine Rückkehr zu einem „Normalbetrieb“ geben können. Das Unterrichtsangebot auch bei einer möglichen weiteren Ausdehnung auf andere Schülergruppen ab dem 4. Mai 2020 wird beschränkt sein.
Von daher werden auch in den kommenden Wochen die auf unterschiedlichen Wegen vermittelten Angebote von Lehrkräften für Schülerinnen und Schüler, die jetzt noch nicht in die Schulen zurückkehren können, weiter an Bedeutung gewinnen. Das „Lernen auf Distanz“ kann und soll allerdings nach wie vor keinen Unterricht ersetzen – allein schon, weil uns bewusst ist, dass hier die Voraussetzungen weder in den Schulen noch in den Familien vergleichbar sind. Solche Angebote, die gerade auch von Lehrkräften, die zum jetzigen Zeitpunkt nicht für einen Präsenzunterricht infrage kommen, erstellt werden, sollen daher nicht auf Leistungsbewertung oder Leistungsüberprüfung zielen, sondern vor allem dazu beitragen, dass Ihre Kinder sich gut auf den Zeitpunkt vorbereiten können, an dem auch für sie wieder ein Schulbesuch möglich sein wird. Ich bin sicher, dass die Lehrkräfte Ihrer Kinder auch hierzu weiterhin mit großem Engagement das ihnen Mögliche beitragen werden.
Sehr geehrte, liebe Eltern,
mir ist bewusst, dass Sie sicher viele Fragen haben, die sowohl Ihre persönliche Situation betreffen als auch grundsätzlicher Art sind und mit den skizzierten Leitentscheidungen zusammenhängen, die nun für die kommenden Tage und Wochen gelten sollen. Wie in allen Lebensbereichen werden wir auch bei der Öffnung der Schulen vorläufig weiter „auf Sicht“ fahren müssen, um eine eventuelle Rückkehr zu gravierenderen Einschränkungen zu vermeiden.
Wir werden auch in den kommenden Tagen versuchen, möglichst viele Fragen in der so genannten FAQ-Liste auf der Homepage des Ministeriums für Schule und Bildung unter www.schulministerium.nrw.de zu beantworten. Ein Unterstützungsangebot ist für Sie außerdem unsere Internetseite zur Schulpsychologie, auf die wir aktuell auch spezielle Hinweise zum Themenfeld Schule und Corona aufgenommen haben.
Ich versichere Ihnen zudem, dass wir alles in unseren Kräften Stehende unternehmen werden, um im Interesse ihrer Kinder schulische Angebote zu entwickeln, die zunehmend zu tragfähigen und wieder verlässlichen Strukturen führen.
Abschließend möchte ich die Gelegenheit nutzen, Ihnen erneut für Ihren besonderen Einsatz in den vergangenen Wochen herzlich zu danken. Ich weiß, welchen Balanceakt zwischen Ausübung Ihres Berufes, Versorgung Ihrer Kinder sowie Unterstützung bei schulischen Aufgaben Sie derzeit leisten! Ich bin Ihnen allen jedoch ausgesprochen dankbar, dass Sie Ihre Kinder in dieser schwierigen Zeit umsichtig unterstützen.
Bleiben Sie gesund!
Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Yvonne Gebauer
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