28.09.2018 - Übernahme des Artikels aus der nds-Zeitschrift

Schulsanierung in Wuppertal: Der Klassenraum soll Heimat sein

Lernraum Schule

Es ist ein Großprojekt: Vor ziemlich genau zwei Jahren startete die Gesamtschule Langerfeld in Wuppertal in eine umfangreiche, mehrjährige Sanierung. Der erste Bauabschnitt nähert sich nun dem Ende. Die nds hat bei Schulleiter Claus Baermann nachgefragt: Wie läuft‘s denn auf der Baustelle?

nds: Warum ist die Sanierung der Gesamtschule Langerfeld nötig geworden? In welchem Zustand waren die Gebäude und das Gelände vor Projektbeginn?

Claus Baermann: Die Gesamtschule Langerfeld befindet sich auf einem großen grünen Campus mit vier getrennten Schulgebäuden – wir nennen sie einfach Haus 1 bis 4 – und einer Dreifachturnhalle, die 2013 neu gebaut wurde. Gegründet wurde unsere Schule 1988 in einer ehemaligen Hauptschule und einer benachbarten Förderschule. In den vergangenen Jahren haben wir nur im Innern von Haus 1 umfangreich saniert und bis 2012 haben wir Haus 4 zusammen mit dem Schulträger und dem städtischen Gebäudemanagement Wuppertal – kurz: GMW – erweitert.

2015 haben wir eine Dokumentation über den Zustand unserer Schule erstellen lassen – das war der Beginn für die Planungen einer umfangreichen Komplettsanierung der anderen Gebäudeteile. Die Dokumentation hat schnell deutlich gemacht, wie groß der Sanierungsbedarf ist: Beim Brandschutz müssen wir nachbessern, und wir müssen etwas gegen die Schadstoffbelastung tun. In den Naturwissenschaften fehlen Räume und die vorhandenen Räume sind oft mangelhaft. Und wir müssen unbedingt die energetische Situation unserer Schule verbessern; vor allem die Gebäudehülle von Haus 1 ist in dieser Hinsicht eine Schwachstelle.

Welche Vision haben Sie für die Sanierung der Gesamtschule Langerfeld entwickelt und wer hat daran mitgewirkt?

Im Schuljahr 2016 / 2017 wurden mit dem GMW, dem externen pädagogischen Bauberater Raimund Patt von „Schulhorizonte“, der Hamburger Architektin Kirstin Bartels von „Cityförster architecture + urbanism“ und dem Schulträger Workshops der „Phase Null“ realisiert, an denen neben der Schulleitung auch die Kolleg*innen, die Schüler*innen und die Eltern beteiligt waren. Eine Lenkungsgruppe aus Vertreter*innen des GMW, des Stadtbetriebs Schulen der Stadt Wuppertal sowie unserer Schule hat diese Phase koordiniert. Das Ergebnis im Sommer 2017: zwei umfangreiche „Konzeptstudien Campus GEL“, die drei wesentliche Bauphasen für die kommenden Jahre vorsehen. Eine zentrale Grund-idee unseres pädagogisch-räumlichen Konzepts sind die Jahrgangscluster der Jahrgänge 5 und 6. Sie ermöglichrn kurze Kommunikationswege, offene und individuelle Unterrichtssituationen sowie die Stärkung von Teamstrukturen der Lehrer*innen. Die Gestaltung zukünftiger Schulbauten muss wegführen von den Flurschulen hin zu Schulgebäuden, die individuelles Lernen und kommunikative Strukturen unterstützen und herausfordern, gerade auch für das inklusive Arbeiten in multiprofessionellen Teams.


Das Sanierungsprojekt hat im Schuljahr 2016/2017 begonnen. Wo stehen Sie jetzt?

Im Moment befinden wir uns noch in der ersten Bauphase. Dazu gehören die Sanierung der äußeren Gebäudehülle von Haus 1, die Gestaltung des Außengeländes sowie die Errichtung eines Forums mit Stadtteilbüro des Sozialdienstes katholischer Frauen – kurz: SkF – und eines Stadtteilzentrums. Wir bauen eine Versammlungsstätte für circa 500 Personen und schaffen Raum für die Gemeinwesenarbeit des SkF: für Beratung, Kurse, Seminare, Arbeitskreise, kulturelle Veranstaltungen, Lernförderung und Elternarbeit. Gleichzeitig wird in der ersten Bauphase das Schulgelände aufwändig neu gestaltet, damit künftig Außenveranstaltungen stattfinden können und das Gelände  zum Aufenthalt und zur Kommunikation einlädt. Dieser erste Bauabschnitt wird planungsgemäß und pünktlich bis zum Dezember 2018 fertiggestellt sein.


Wie geht es in der zweiten Bauphase weiter?

Während die erste Bauphase noch läuft, wurde parallel dazu im Juli 2018 der Grundsatzbeschluss für den zweiten Bauabschnitt vom Rat der Stadt Wuppertal bestätigt. Bis Ende 2018 muss das weitere Verfahren strukturiert und ein Architekturbüro beauftragt werden. Die Detailplanung der Ausschreibungen und die ersten Arbeiten sind für Ende 2019 vorgesehen. Gebaut wird dann bis Ende 2022.

In der zweiten Phase gestalten wir das Haus 2 neu, in dem die Jahrgänge 5 und 6 untergebracht sind, und es entsteht ein neuer Gebäudeteil für die Naturwissenschaften. Die Grundlage für diese Bauphase hat eine  eigene Planungsgruppe geschaffen: In einem durch das Fachteam Pädagogik & Architektur moderierten Prozess wurden zunächst die pädagogischen Profile einer inklusiven Bildung im Ganztag geklärt, um sie schließlich in Raumskizzen und Funktionsdiagramme zu übertragen. Eine solche nutzungs- und zukunftsorientierte Bedarfsplanung konkretisiert den Auftrag für externe Objekt- und Fachplaner*innen.


Im zweiten Bauabschnitt geht es also vor allem um die jüngsten Schüler*innen der Gesamtschule Langerfeld. Wie muss eine Lernumgebung aussehen, die zu ihren speziellen Bedürfnissen passt?

Die Planungsgruppe schreibt dem Klassenraum in den Jahrgängen 5 und 6 eine besondere Bedeutung im Sinne einer Heimat zu. Die Kinder kommen aus dem verhältnismäßig behüteten Rahmen der Grundschulen in das größere und für sie zunächst nicht erfassbare System der weiterführenden Schule. Sie brauchen zum Start einen festen Bezugsrahmen, unmittelbare Wege und einen bekannten, sicheren Ort der Zugehörigkeit und des Wohlfühlens im Sinne von: meine Wege, mein Raum, mein Platz, meine Klassengruppe.

Im Klassenraum und in der Nachbarschaft, im Raumcluster des Jahrgangs, finden die ersten Identifikationen mit der Schule statt. Dort lernen die Schüler*innen ihre Schule und einander kennen, finden sich allmählich zurecht, übernehmen Verantwortung und gestalten mit. Aus diesen ersten Ebenen der Zugehörigkeit erweitern sich die Wege der Kinder der Jahrgänge 5 und 6 zunehmend: Sie lernen die Besonderheiten der anderen Fachbereiche kennen, besuchen zusammen mit allen anderen Schüler*innen die Mensa in den Mittagspausen und erkunden nach und nach die übrigen Schulhäuser und den gesamten Campus.

Damit der Übergang in die weiterführende Schule gelingt, brauchen Schüler*innen der Jahrgangsstufen 5 und 6 sowohl Kontinuitäten, die sie aus ihrem früheren Alltag der Grundschulen kennen, als auch Diskontinuitäten, die die neuen Anforderungen der neuen Schule mit sich bringen. Das räumlich-pädagogische Konzept der Gesamtschule Langerfeld ermöglicht beides: Unsere Fünft- und Sechstklässler*innen können sich in ihrem neuen Cluster mit kurzen Wegen zu Hause fühlen und Verantwortung für ihre Klassengemeinschaft, für die Gestaltung sowie für das gute Miteinander übernehmen. Der Schultag ist rhythmisiert, methodisch vielfältig gestaltet, Unterricht und individuelles beziehungsweise kooperatives Lernen sind medial gestützt. Unsere Schüler*innen bilden eine Gemeinschaft im inklusiven Gemeinsamen Lernen, sie erleben Respekt und die Förderung der individuellen Vielfalt und sie sind gut versorgt – das sind die wesentlichen Grundsätze, nach denen unser Kollegium den schulischen Alltag gestaltet.

Das Raumprogramm für die beiden sechszügigen Jahrgänge wird all diesen Anforderungen gerecht: Im Einstiegscluster der Jahrgänge 5 und 6 sind die Kommunikationswege kurz gehalten und die Räume so gestaltet, dass die Teamstrukturen der Lehrer*innen gestärkt werden.


Und in der dritten Bauphase stehen dann vermutlich die Bedürfnisse der Schüler*innen ab Klasse 7 im Vordergrund.  

Genau. 2023 wollen wir mit der Sanierung und dem Umbau von Haus 3, in dem später die Jahrgänge 7 und 8 untergebracht werden sollen, und der Mensa beginnen. Bis dahin ist hoffentlich auch die Finanzierung für den dritten Bauabschnitt gesichert. Außerdem werden in dieser Phase die Bereiche der Jahrgänge 9 und 10, die Fachräume der Bereiche Arbeitslehre / Technik und Kunst sowie der Abteilung Gymnasiale Oberstufe saniert. Gleichzeitig müssen Räume für die Berufsorientierung und Beratung, die das Ministerium heute schon fordert, in die Gesamtplanung einbezogen werden.

Im Jahr 2025 werden alle baulichen Veränderungen abgeschlossen sein und wir beginnen mit dem, was man etwas bürokratisch als neue „Gesamtnutzung“ der Campusschule Gesamtschule Langerfeld bezeichnet.  


Können Sie uns verraten, was die Sanierung der Gesamtschule Langerfeld insgesamt kosten wird?

Die Kosten für den ersten Bauabschnitt mit dem Forum als Stadtteilzentrum und der energetischen Sanierung von Haus 1 liegen bei ungefähr sechs Millionen Euro. Dabei sind Fördermittel in nicht unwesentlicher Höhe aus dem europäischen „Fond für Regionale Entwicklung“ eingeflossen. Die Kostendimensionen für den zweiten Bauabschnitt lassen sich aufschlüsseln: Sanierung, teilweiser Abriss und Neubau von Haus 2 belaufen sich auf schätzungsweise 5,8 Millionen Euro, inklusive Einrichtungskosten. Für das neue Haus der Naturwissenschaften setzt der gefasste Grundsatzbeschluss 8,6 Millionen Euro an. Für den dritten Bauabschnitt – die Sanierung von Haus 3 und der Mensa – sind weitere 9,3 Millionen Euro veranschlagt.

Fest steht bis jetzt: Im Wirtschaftsplan der Stadt Wuppertal stehen bis 2022 ausreichende Finanzmittel für die  Kernsanierung von Haus 2 und für den Neubau des Hauses der Naturwissenschaften zur Verfügung. Über die Finanzierung der dritten Baumaßnahme wird erst im Rahmen der weiteren Haushaltsplanung entschieden werden.


Wie haben Sie als Schulleiter das Genehmigungsverfahren für die Sanierung Ihrer Schule erlebt?

Als Schulleiter einer großen Schule mit rund 1.380 Schüler*innen benötigt man für eine so groß angelegte Sanierung eine Menge Zeit, Energie und vor allem Geduld, um die Planungen mit und in den entsprechenden Gremien voranzutreiben. Die Zusammenarbeit mit dem GMW ist dabei durchaus konstruktiv und erfolgreich, aber natürlich gibt es bei solch einem Großprojekt Phasen der Be- und der Entschleunigung. Wir sprechen schließlich über einen Planungs- und Realisierungszeitraum von fast zehn Jahren. Eine Zeit, in der nicht nur geplant und gebaut wird, sondern gleichzeitig auch der normale Schulbetrieb weiterlaufen muss.


Wie wird sich das Lehren und Lernen an Ihrer Schule durch die Sanierung verändern?

Die erste große Veränderung wird die gesamte Schulgemeinde im Frühjahr und Sommer 2019 spüen: Dann feiern wir den 30. Geburtstag der Schule, den Abschluss des zehnten Jahrgangs und das Abitur der gymnasialen Oberstufe und werden dafür zum ersten Mal das neue Forum nutzen.

Aber auch auf lange Sicht betrachtet: Ja, die Neugestaltung mit Raumclustern, die konzeptionell neuen Räume für die Naturwissenschaften und die Umgestaltung des gesamten grünen Campus bis 2025 werden das „Miteinander Lernen“ und „Miteinander Leben“ an der Gesamtschule Langerfeld stark beeinflussen, verändern und neu prägen. Hinzu kommen ja auch noch andere, bereits angestoßene Prozesse der Schulentwicklung und neue, schulinterne curriculare Konzepte zur Medienbildung, zur Inklusion und zur erfolgreichen Berufsorientierung. Im Zusammenspiel werden diese Maßnahmen viel verändern und vor allem das Miteinander an unserer Schule stärken.


Die Fragen für die nds stellte Anja Heifel-Rohden. 

Fotos: C. Baermann

Phase Null

Um Schulen als zukunftsfähige Lernräume planen und bauen zu können, hat sich in den vergangenen Jahren ein Verfahren zur Planung von Schulneu- und Umbaumaßnahmen entwickelt, das der eigentlichen Bauplanung und -ausführung, den Phasen 1 bis 9, vorgeschaltet ist. Deshalb wird diese Planungsphase als „Phase Null“ bezeichnet.

Unterstützt durch ein professionelles Schulbau-beratungsteam erarbeitet die Schule gemeinsam mit der Schulverwaltung und den Verantwortlichen für die kommunalen Gebäude ein pädagogisch basiertes Raumprogramm für ihre zukünftigen Lern- und Unterrichtsräume. Das Raumprogramm gibt an, welche Funktionen das zu planende Gebäude erfüllen soll. Es ist die Grundlage zum Beispiel für einen Architekturwettbewerb und für die Entwurfsplanung des Architekturbüros.

Dr. Petra Regina Moog, Marayle Küpper

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letzte Änderung: 2018-09-30 BAER/GEBH

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